Kurz vor seinem Tod hat der isländische Komponist Johann Johannsson noch einmal sein allererstes Album „Englabörn“ neu bearbeitet.

Jóhann Jóhannsson: „Englabörn & Variations“
Deutsche Grammophon DG 479 9841

Auf dem Höhepunkt des Erfolges ist der isländische Komponist Jóhann Jóhannsson Anfang des Jahres in Berlin mit gerade mal 48 Jahren unter immer noch ungeklärten Umständen gestorben. Die Doppel-CD präsentiert jetzt noch einmal Jóhannssons erstes Album „Englabörn“ als „Rework“ – also klanglich überarbeitet – und auf einer zweiten CD Variationen anderer Komponisten und Soundkünstler über Themen aus dem Album von 2002.
Liebe und Hass
„Odi et Amo“, der erste Track des Albums, ist eines dieser einfachen, klaren und eindringlichen musikalischen Themen des isländische Komponisten, der hier – wie Carl Orff in seinen „Catulli carmina“ – einen Vers des Dichters Catullus vertont: „Odi et amo – Ich hasse und ich liebe“, ein sehr alter Vers über den Widerstreit der Gefühle, vorgetragen von einer sehr modernen Vocoderstimme – überirdisch schön klingend, eigentlich aber „aus dem Computer“ stammend.
Streichquartett trifft Elektronik
Diese unaufdringliche Mischung elektronischer Sounds mit natürlichen Klängen – Streichquartett, Klavier, Cello – war auch in Jóhannssons Filmmusiken der Garant für den Erfolg: zuletzt ein „Golden Globe“ und eine Oscar-Nominierung für die Musik zu „Arrival“, ein intelligenter, philosophischer Film, für den Johann Johannsson den modernen und vielschichtigen Soundtrack lieferte.
Einfach nur Klavier
In der Musik von Jóhann Jóhannsson wird einmal mehr die strikte Trennung zwischen Popmusik und (Neo-)Klassik aufgehoben. Insbesondere die zweite CD des Doppelalbums präsentiert mit einer Reihe von „Remixes“ ein gängiges Verfahren, dass auch im Bereich der elektronischen Dancemusic angewendet wird. Hier handelt es sich um Variationen der Themen des ersten Albums, die von verschiedenen Soundkünstlern und Komponisten teils elegisch, teils elektronisch bearbeitet und verwandelt werden: Ryūichi Sakamoto – elektronischer Klangtüftler und seit vielen Jahren ebenfalls ein erfolgreicher Filmkomponist – läßt in seiner Variation kaum noch Originalklänge übrig, während der isländische Pianist Vikingur Olafson in seiner Version des betörend schönen „Englabörn“-Themas einfach nur Klavier spielt.
Direkt ins Ohr
Johann Johannssons „Odi et Amo“ erklingt auf diesem Album insgesamt in sechs verschiedenen Fassungen und auch am Schluss des Doppelalbums. Dort ist mit dem „Theatre of Voices“ ein hervorragendes Vokalensemble zu hören. Den Chorsatz hat Jóhann Jóhannsson noch selbst angefertigt – ein weiteres klingendes Vermächtnis des viel zu früh gestorbenen Komponisten, der stets liedhaft gedacht und komponiert hat. Jóhann Jóhannssons großer Erfolg ist zweifellos auch auf diese direkte klangliche Ansprache des Publikums zurückzuführen.
Johann Johannsson: „Englabörn & Variations“ (2018)
Deutsche Grammophon
DG 479 9841
