Auf ihrer ersten CD beim schwedischen Label BIS spielt die norwegische Geigerin Eldbjörg Hemsing Violinkonzerte von Hjalmar Borgström und Dmitri Schostakowitsch.

Hjalmar Borgström (1864-1925), Violinkonzert G-Dur, Op. 25
Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) Violinkonzert a-Moll, Op. 77
Eldbjörg Hemsing, Violine
Wiener Symphoniker
Ltg. Olari Elts
BIS 2366

Auftakt
Einige Paukenschläge lang muss die Solistin auf ihren ersten Einsatz warten. Dann kann sich Eldbjörg Hemsing mit einer aufsteigenden Melodie zum ersten Mal elegant in die Höhe schwingen. Mit einer kleinen Kaskade von Doppelgriffen liefert sie eine erste Kostprobe ihres Könnens. – Auftakt zu einer aufregenden musikalischen Reise durch das Land der Fjorde.
Unterschied
Der Komponist Hjalmar Borgström, geboren 1864 und zu seiner Zeit zugleich erfahrener Kritiker und Musikjournalist, könnte sich den Anfang mit den Paukenschlägen bei Beethoven „geliehen“ haben. Denn auch dessen Violinkonzert beginnt mit markanten Paukentönen. Dann folgt allerdings eine lange Orchestereinleitung, die dem Solisten einiges an Geduld abverlangt, bis er schließlich seinen ersten Geigenton spielen darf.
Der allergrösste Unterschied aber: Beethoven hat das bekannteste, Borgström das vielleicht am wenigsten bekannte Violinkonzert geschrieben.

Horizont
Dabei ist dieses spätromantische Werk vom ersten bis zum letzten Ton so schön wie ein Sonnenuntergang am Fjord. Der in Oslo geborene Komponist war zweifellos von den mächtigen Bergen und den dunkelblauen Seen seiner Heimat inspiriert, hat um das Jahr 1900 sicher verschneite norwegische Wälder durchstreift, bevor er dann – wie sein Landsmann Edvard Grieg – durch ein „Auslandsstudium“ in Leipzig seinen spätromantischen Klanghorizont um Einblicke in die Klangwelt der Moderne erweitert hat.

Klang
Diese moderne Klangwelt prägt das zweite Konzert dieser CD – Op. 77 von Dmitri Schostakowitsch. Und hier lässt die 1990 im ländlichen Norwegen geborene Geigerin ihre kostbare Guadagnini noch eine Spur rauer klingen. So hoch sie zuvor bei Borgströms romantischen Melodielinien spielen musste, so tief liegen die Anfangstöne dieser „Sinfonie mit obligater Violine“, wie das 1947 von Schostakowitsch komponierte Konzert auch genannt wird. Beinahe zehn Jahre lang wurde dieses Jahrhundertwerk von der sowjetischen Kulturbürokratie beargwöhnt, konnte deshalb erst 1955, nach Stalins Tod, uraufgeführt werden.
Vergleich
Anders als bei der konkurrenzlosen Interpretation des unbekannten norwegischen Komponisten Borgström, muss die Geigerin beim Konzert von Schostakowitsch, das dem großen David Oistrach gewidmet war, mit Vergleichen rechnen – die sie aber allesamt nicht zu scheuen braucht ! Ihre Passacaglia, in der die Geige im dritten und stärksten Satz des Schostakowitsch-Konzertes nach tiefen Blechbläsern-Chorälen die erschütternde Totenklage anstimmt, führt beim Hören zu tiefer Ergriffenheit, die sich erst im fulminanten Finalsatz wieder auflöst.
Fazit
Kann man mit 28 Jahren dieses grosse Violinkonzert schon so grossartig spielen – Eldbjörg Hemsing kann es !
